Samstag, 7. Juli 2012

Von Hinterhirnis und Vorderhirnis

*wow* ein echter Karen Pryor Clicker^^


Am Mittwoch war die Veranstaltung "Wie lernt mein Hund? Basiswissen für erfolgreiches Training" (siehe auch diesen Blogbeitrag).
Nachdem ich meine Teilnahme zugesagt habe, schloss sich auch besagte hundehaltende Freundin an. Bei anderen löste meine Teilnahme wohl zunächst Verwirrung aus. "Ist die jetzt auch auf den Hund gekommen?". Nope :)

Es war eine tolle gemütliche Veranstaltung mit etwa 10 Personen. Ich war die einzige Nicht-Hundehalterin und es haben sich wohl einige gewundert, weshalb Uli, die den Vortrag hielt, mich auch direkt mit  kurzen Hinweisen zur Rattenkonditionierung ansprach *hihi*. Beim nächsten Vortrag im August bin ich auf jeden Fall wieder dabei.

Es ging natürlich in dieser ersten Veranstaltung um die allgemeinen Grundzüge der Konditionierung. Dabei muss zunächst die klassische Konditionierung von der operanten Konditionierung unterschieden werden. Bei der klassischen Konditionierung hat der Organismus (völlig egal, ob Mensch oder Tier) keine Kontrolle über den Reiz oder die Reaktion. Hierbei wird ein neutraler Reiz (etwas völlig weltfremdes wie eine Glocke oder so) mit einem auslösenden Reiz (das kann alles sein, was bestimmte Reaktionen nach sich zieht wie Futter, aber auch Gefahrensituationen usw.) verknüpft. Der Organismus lernt, beides miteinander zu verbinden oder gleichzusetzen, so dass  eine bestimmte Reaktion (Speichelfluss oder Flucht oder welches Verhalten ein bestimmter Reiz auch immer nach sich zieht) auch dann erfolgt, wenn der eigentliche auslösende Reiz gar nicht mehr da ist.
Es ergibt ein reflexartiges Verhalten.

Die Verknüpfung von neutralen Reizen mit auslösenden Reizen passiert immer und ständig. Sie ist die wichtigste Lernform, ebenso einfach wie mächtig, und soll den Organismus vor Schaden bewahren und Gutes tun - auf die einfache (Lebens-)Formel gebracht: suche, was dir gut tut, meide, was dir Angst oder Schmerzen bereitet.
Auslösende Reize wie Angst, Verletzung oder Gefahr verbinden sich ständig mit neutralen Reizen. Es macht nämlich durchaus Sinn sich zu merken, wo es zu gefährlichen Situationen kommt, wer oder was dabei war, wie die Tageszeit war usw. usf. Wir alle versuchen ständig Muster und Zusammenhänge zu finden und scannen dazu sehr aufmerksam unsere Umwelt. Das passiert in jedem und leider können wir in die Wahrnehmungswelt anderer schwer rein schauen. Ein Beispiel von Uli:
Ein Hund, der Angst vorm Tierarzt hat, wird sehr viel Gehirnschmalz dafür einsetzen zu erkennen, wann es wieder soweit ist. Schließlich heißt die Weltenformel: suche Gutes, meide Schlechtes. Er wird den Tierarzt also zunächst mit der Praxis verknüpfen. Dann mit dem Haus. Dann mit der Straße. Dann mit dem Auto. Dann mit einem bestimmten Verhalten seines Besitzers. Sehr schlau. Der neutrale Reiz Autofahren hat sich nun mit dem auslösenden Reiz Tierarzt verknüpft. Als Reaktion entsteht Fluchtverhalten, Angst, Meideverhalten. Wie kann man diesen "Rattenschwanz" an Verknüpfungen wieder aufbrechen? Das ist auch dann zu bedenken, wenn man ein Tier aufnimmt, dessen Vorgeschichte man nicht kennt. Wenn es Angst vor einem bestimmten Gegenstand oder in einer bestimmten Situation zeigt, muss die Ursache dafür nicht direkt im Zusammenhang mit dem Gegenstand liegen (es muss schlechte Erfahrungen mit Autos gemacht haben). Nein - die Kausalkette kann viel länger und vertrackter sein.

Bei der operanten Konditionierung kann der Organismus in seine Umwelt aktiv eingreifen. "Operant" heißt wörtlich, "die Umwelt beeinflussend" oder "in ihr wirksam werdend". Hierbei werden bestimmte Erfahrungen gemacht, die als gut oder schlecht wahrgenommen werden und die dementsprechend die Häufigkeit gezeigter Verhaltensweisen verstärken oder abschwächen. Ein Beispiel von dieser Seite:
Ein Schüler kommt wiederholt verspätet in den Schulunterricht. Da die Mitschüler bewundernd lachen und die Lehrer nichts gegen den Regelverstoß unternehmen, empfindet der Schüler die Konsequenz für sein Verhalten als positiv.
Durch diesen positiven Verstärker wird der Schüler voraussichtlich auch in Zukunft zu spät kommen, um wieder in den Genuss des Verstärkers zu kommen.
Bei der operanten Konditionierung werden vier Konsequenztypen unterschieden, bei denen die wirkungsvollste die positive Verstärkung ist. Bei allen anderen (positive Strafe, negative Strafe), die mit einer Abschwächung der gezeigten Verhaltensweisen arbeiten (Strafen, Bestrafen) können unkalkulierbare Nebenwirkungen entstehen. Aus diesem Grund lehnt die Hundetrainerin die Arbeit mit diesen Konsequenztypen ab (wie es zum Beispiel andere *bekannte-hüstel* Hundetrainer durchaus gern machen.)

Ein Grund, weshalb die Arbeit mit Strafen nicht sinnvoll ist, erklärt das Konzept der Hinterhirnis und Vorderhirnis (tolle Begriffe, die wir übrigens nun fortan auf alles und jeden anwenden :). Wer Angst hat, befindet sich in einem emotionalen Zustand, in dem er nicht mehr überlegt denken kann. Räumlich gesehen befindet er sich in hinteren Gehirnbereichen. Ein Hinterhirni. Wird dieser Zustand mit etwas weiterem Negativen verknüpft - denn die klassische Konditionierung arbeitet immer mit!- wie zum Beispiel einem strafenden Halter, ist das Konfliktpotenzial vorprogrammiert.
Damit man mit positiver Verstärkung arbeiten kann, muss man den Hinterhirni aber zunächst ins Vorderhirni (Denken) bringen.
Und hier wurde es spannend (und neun Hundehalter und ein Rattenhalter beugten sich lauschend vor).

Kennt das Tier einen Clicker, kann man es damit "zurückholen". Erstaunlicherweise riet Uli, eine Ratte (mein interner Übersetzer funktionierte hervorragend. Uli sprach natürlich von einem Hund ;) von einem unerwünschten Verhalten abzuhalten, indem man "einfach reinklickt". Normalerweise soll der Clicker erwünschtes Verhalten belohnen und damit verstärken, d.h. es soll öfter gezeigt werden. Wenn man jetzt bei unerwünschtem Verhalten "reinklickt", würde es ja das Verhalten verstärken. So dachten jedenfalls wir Zuhörer.
Der Punkt ist, dass man auch mal klickern kann, um die Aufmerksamkeit zu bekommen. "Wie? Was habe ich getan? Warum wurde geklickt?". Irgendwann wird das Tier in dieser Situation den Klick erwarten und das eigentliche Vorhaben (das unerwünschte Verhalten) unterbrechen. Dann hat man seinen Vorderhirni und kann in diesem Zustand weiterarbeiten.
Als Beispiel: ein Hund soll nicht einfach etwas fressen, was draußen auf dem Boden liegt. Wird kurz vorm Fressen geklickt, erwartet der Hund beim nächsten Mal diesen Klick und wird auf dem Weg zum auf dem Boden liegenden Essen zum Halter schauen. Perfekt. Hier kann man weitermachen.

Soweit erst mal.

Das ganze, obwohl evolutionär genial einfach gestrickt, ist doch eine sehr komplexe Angelegenheit. Ich selbst kann mich nur mühsam an die Begriffe gewöhnen. Wichtig ist, dass diese Konzepte auch dann hilfreich sind, wenn man überhaupt nicht vorhat, seinen Tieren über Clickertraining eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten.
Lernen am Erfolg und daraus resultierender verstärkte Einsatz -also positive Verstärkung- kann man seinen Tieren auch über die "normale" Futterbeschäftigung bieten. Erfolgserlebnisse im Leben sind schließlich ganz ganz wichtige Antriebe :)

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